BGH-Urteil zum Steilküstenabbruch auf Rügen im Jahr 2005

Immer wieder kommt es auf der Insel Rügen zu gefährlichen Abbrüchen der berühmten Kreidefelsen. Zuletzt war im Jahre 2011 sogar ein Mädchen ums Leben gekommen (http://www.spiegel.de/panorama/erosion-gewaltige-erdrutsche-an-der-steilkueste-ruegens-a-343926.html).

Ein Felsabbruch im März 2005 in unmittelbarer Nähe des Lohmer Hafens hat dabei ein juristisches Nachspiel, mit dem sich jetzt der Bundesgerichtshof befasst hat. Auf einer Länge von rund 100 m und 200 m Breite brach seinerzeit die Steilküste ab und hinterließ eine kraterartige Abbruchkante, die mit einem Abstand von gerade einmal 2,5 Meter an ein Betreuungsheim für Suchtkranke heranreichte. Zwar entgingen die Patienten knapp einer schlimmeren Katastrophe, jedoch musste die Klinik danach geschlossen und später vollständig abgerissen werden.


Weil die Klinik erst kurz zuvor mit einem Neubau erweitert wurde, der dem Abbruch zum Opfer fiel, klagt die Eigentümerin gegen die Architekten und den Statiker auf Schadensersatz in Höhe von 2,9 Millionen €.


Ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Baugrundgutachten hatte lediglich empfohlen, zwischen der Klinik und der Steilküste einen bebauungsfreien Sicherheitskorridor zu belassen.

Der von der Klägerin beantragte Bauvorbescheid wurde abgelehnt, weil die Standsicherheit des Hanges in diesem Bereich nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde im Oktober 2001 dann aber doch mit der Auflage erteilt, am Standort des Altbaus genauere Bodenuntersuchungen vorzunehmen.
Die Beklagten unterließen dies.
Nachdem das Sanierungsvorhaben im Jahre 2003 fertig gestellt wurde, brach im März 2005 ein großes Stück der Steilküste weg.

Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Beklagten ihre vertraglichen Pflichten in zweifacher Hinsicht verletzt haben.
(1) Zum einen haben sie es unterlassen, die Risiken eines möglichen Steilhangabbruchs mit der Klägerin zu erörtern. Zwar kannte die Klägerin tatsächliche Umstände, aus denen sich die Gefährdung ergab. Das gestattet aber nicht den Schluss, dass sie deren gesamte Tragweite zutreffend bewertet hat.
(2) Zum anderen haben die Beklagten die gebotenen weiteren Baugrunduntersuchungen nicht veranlasst.

Darüber hinaus hat der BGH aber nach seiner Pressemitteilung zu Folge festgestellt, dass die Frage einer möglichen Mitschuld des Bauherren zu klären ist und hat deshalb das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht wird nunmehr festzustellen haben, ob sich die Klägerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten für das Bauvorhaben entschieden hätte, wobei es maßgeblich auf die Sichtweise ankommt, bevor sich das Risiko realisierte.


Sollte das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach erneut bejahen, ist ein Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen.

Muss sich dem Auftraggeber, wie hier, aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen, verstößt der Auftraggeber regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben durchführt.

BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12

Baurecht

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