keine mangelbedingte Schadensberechnung nach fiktiven Mängelbeseitigungs-kosten

BGH zur Schadensberechnung bei Mängeln in Werkverträgen - ein Paradigmenwechsel

Mit seinem Urteil BGH vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 hat der Bundesgerichtshofs eine bedeutende Änderung in der Schadensberechnung bei Mängeln in Werkverträgen eingeleitet.

Die bisherige Möglichkeit, den mangelbedingten Schaden anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu berechnen, ist für ab dem 1. Januar 2002 geschlossene Werkverträge abgeschafft.

I. Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen Mängeln an Natursteinplatten, die im Außenbereich ihres Einfamilienhauses vom Beklagten aufgrund eines Werkvertrages verlegt wurden.

Sie beauftragte 2002 einen Architekten mit der Planung der Außenanlagen und 2004 die beklagte Werkunternehmerin mit der Ausführung der Arbeiten.

Die Beklagte ließ die Platten durch eine Nachunternehmerin verlegen. Nach Abnahme und Bezahlung der Arbeiten im Jahr 2005 traten ab 2007 erhebliche Mängel auf, darunter Risse, Ablösungen, Salzausspülungen und Durchfeuchtungen.

In erster Instanz wurde der Klägerin ein Vorschuss für die Mängelbeseitigung zugesprochen.

Während des Berufungsverfahrens verkaufte die Klägerin das Haus.

Da sie damit die Absicht aufgab, den mangelnden tatsächlich beseitigen zu lassen, stellte sie die Klage auf Schadensersatz um. Nunmehr wollte sie also Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten.

Die Vorinstanz hatte die Werkunternehmerin auf fiktive Netto-Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 103.238,95 € nebst Zinsen verurteilt.

Der BGH hob die Schadensberechnung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

II. Hintergrund des Urteils

Ein Besteller kann gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz verlangen, wenn ein Werk mangelhaft ist. Die zentrale Frage war bisher, wie dieser Schaden bemessen wird. Der BGH hatte zuvor anerkannt, dass der Schaden entweder:

1. durch den Wertunterschied zwischen mangelfreiem und mangelhaftem Werk oder

2. durch die fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnet werden konnte.

Fiktive Mängelbeseitigungskosten

Fiktive Mängelbeseitigungskosten bezeichnen die Kosten, die theoretisch anfallen würden, wenn ein Mangel an einem Werk behoben würde, obwohl der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht tatsächlich durchführen lässt. Der Auftraggeber kann stattdessen diese fiktiven Kosten als Schadensersatz verlangen.

Beispiel: Ein Handwerker hat ein Badezimmer schlecht gefliest. Der Auftraggeber könnte die Kosten für eine ordnungsgemäße Fliesenverlegung fordern, ohne dass diese tatsächlich vorgenommen wird.

Die „fiktiven Mängelbeseitigungskosten“ sind eine Schätzung der Kosten, die bei einer echten Nachbesserung anfallen würden. Sie werden jedoch nicht immer anerkannt, insbesondere wenn der Auftraggeber bereits eine andere Lösung gewählt hat, wie etwa eine Minderung des Werklohns.

III. Die Rechtsprechung des BGH

Der BGH hat sich mit Urteil vom 22.02.2018 -VII ZR 46/17- von der zweiten Berechnungsmethode auf Grundlage einer fiktiven Mangelbeseitigung verabschiedet. Nach der neuen Entscheidung kann der Schaden nur noch auf zwei Weisen bemessen werden:

  • Mindererlös-Methode

    Hat der Besteller die Sache verkauft, kann der Schaden anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert ohne Mangel und dem tatsächlichen Verkaufspreis berechnet werden.

  • Vergütungsorientierte Methode

    Alternativ kann der Schaden anhand des durch den Mangel bedingten Minderwerts des Werks im Vergleich zur vereinbarten Vergütung bestimmt werden.

1. Grundsatz: Schadensersatz für ein mangelhaftes Werk

Wenn ein Unternehmer ein Werk mangelhaft ausführt, hat der Besteller das Recht, Schadensersatz zu verlangen. Dies ist in den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt, insbesondere in § 634 Nr. 4 BGB sowie in den §§ 280 und 281 BGB. Falls es sich um einen Vertrag nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) handelt, gilt ergänzend § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B.

2. Schadensberechnung: Welche Methoden gibt es?

Wie genau der Schaden berechnet wird, ist nicht direkt im Gesetz festgelegt. Der BGH hat sich daher mit den verschiedenen Möglichkeiten der Schadensbemessung befasst:

a) Unterschied zwischen mangelfreiem und mangelhaftem Werk

Eine Möglichkeit, den Schaden zu berechnen, ist die sogenannte "Vermögensbilanz". Dabei wird geschaut, welchen Wert die Sache ohne den Mangel hätte und welchen Wert sie mit dem Mangel hat. Die Differenz zwischen diesen beiden Werten ist der Schaden.

Falls der Besteller das mangelhafte Werk verkauft hat, kann er den Schaden auch anhand des geringeren Verkaufspreises berechnen. Dazu wird verglichen, wie viel er für das Werk ohne Mangel hätte bekommen können und wie viel er tatsächlich dafür erhalten hat. Falls es noch andere Gründe für den niedrigeren Verkaufspreis gibt, muss festgestellt werden, welcher Anteil des Wertverlusts auf den Mangel zurückzuführen ist.

b) Keine fiktiven Mängelbeseitigungskosten mehr

Früher konnte der Besteller seinen Schaden auch anhand der (fiktiven) Kosten berechnen, die eine Mängelbeseitigung gekostet hätte – selbst wenn er den Mangel gar nicht beseitigt hat. Dies hat der BGH nun geändert: Ein Besteller, der den Mangel nicht beseitigt, kann diese fiktiven Kosten nicht mehr verlangen. Denn wenn er die Reparatur nicht tatsächlich durchführt, entstehen ihm diese Kosten auch nicht, und es würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung kommen.

c) Schadensberechnung anhand der vereinbarten Vergütung

Der Besteller kann seinen Schaden aber auch anders berechnen: Indem er den Wertverlust des Werks direkt anhand der ursprünglich vereinbarten Vergütung bestimmt. Diese Methode ähnelt der Berechnung einer Minderung des Kaufpreises, die in anderen Fällen des Vertragsrechts angewandt wird. Dabei wird geschätzt, wie viel die mangelhafte Leistung im Vergleich zur vereinbarten Vergütung wert ist.

3. Warum hat der BGH die fiktiven Mängelbeseitigungskosten abgelehnt?

1. Vermeidung von Überkompensation: Durch die bisherige Berechnungsmethode konnte der Besteller Geld für eine Mängelbeseitigung erhalten, die er tatsächlich gar nicht durchführen ließ.

2. Anpassung an das allgemeine Schadensrecht: Das Schadensrecht soll realen Vermögensschäden Rechnung tragen, nicht theoretischen Kosten.

3. Praxisnähere Schadensermittlung: Der Besteller muss nun konkrete finanzielle Nachteile nachweisen, anstatt rein hypothetische Kosten geltend zu machen.

Der BGH argumentiert, dass die Berechnung anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten oft zu einer überhöhten Entschädigung führt. Denn diese Kosten hängen von verschiedenen Faktoren ab (z. B. dem Material, der Art der Reparatur oder der Notwendigkeit, andere Gewerke mit einzubeziehen). Sie können in vielen Fällen sogar höher sein als der ursprüngliche Werklohn.

Außerdem hat der BGH bereits in früheren Urteilen darauf hingewiesen, dass eine Überkompensation vermieden werden muss. Beispielsweise wurde bereits entschieden, dass Umsatzsteuer nur dann erstattet wird, wenn sie tatsächlich angefallen ist – also nur, wenn die Mängelbeseitigung tatsächlich durchgeführt wurde.

IV. Auswirkungen auf die Praxis

  • Für Bauherren: Wer einen Mangel geltend macht, muss nun nachweisen, dass ihm ein realer finanzieller Schaden entstanden ist.
  • Für Bauunternehmen: Die finanzielle Belastung durch Schadensersatzforderungen dürfte sinken, da fiktive Kosten nicht mehr erstattet werden.
  • Für Gerichte: Schadensschätzungen werden sich künftig stärker an realen Marktwerten orientieren.

V. Fazit

Die Entscheidung des BGH stellt einen Paradigmenwechsel in der Werkvertragsrechtsprechung dar. Wer Schadensersatz für Baumängel verlangt, muss künftig konkretere Nachweise erbringen. Die Änderung sorgt für eine realistischere und gerechtere Schadensbemessung, verhindert jedoch mögliche ungerechtfertigte finanzielle Vorteile für Besteller.

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